Regen tröpfelt auf das Autodach und klingt beim Aufprall metallisch. Ein Geräusch, an das ich mich in letzter Zeit gewöhnt habe. Manchmal wechselt sich der Niederschlag mit dem Rauschen des Meeres im Hintergrund ab. Zwischendurch regnet es mal heftig, dann lässt es wieder nach. Egal ob Wind, Sturm, Regen oder Sonne, in einem “self contained”-Van ist man der Laune des Wetters ausgesetzt, aber fühlt sich trotzdem beschützt und geborgen.

In Neuseeland gibt es unter den Reisenden ziemlich viele Leute, die in einem Van leben und sich fortbewegen, denn das „Van-Life“ ist eine praktische Möglichkeit auch an Orte zu gelangen, die man mit öffentlichen Verkehrsmitteln einfach nicht erreichen kann. An passenden Busverbindungen mangelt es hier geradezu. Es ist also durchaus üblich, dass Reisende bei ihrer Ankunft einen Campervan kaufen und ihn kurz vor Abreise wieder verkaufen. Anders als zu Hause in Spanien ist Neuseeland aber auf diese Art von Tourismus vorbereitet. Mit einem sogenannten “self-contained” Zertifikat, das bescheinigt, dass der Wagen bestimmte Bedingungen erfüllt, über Schlaf-, Koch- und Waschgelegenheiten verfügt,  gibt es viele Stellplatzoptionen und Freedom Camps, die man kostenlos nutzen kann. Doch je nach Council gelten unterschiedliche bylaws, die man beachten sollte.

Eigentlich stehe ich dem “Van Life” als einer Form des Reisens eher skeptisch gegenüber, denn von zu Hause kenne ich es, dass sich Campervans und Wohnmobile massiv in der Nähe der Strände, aber auch in den Bergen häufen, anderen den Weg versperren, und sich unbedacht in der Natur breit machen. Natürlich gilt das nicht immer und nicht für alle, denn es gibt auch viele respektvolle Van-Nutzer. Doch in Neuseeland gibt es für die Fläche des Landes gar nicht genug Menschen, damit es so überfüllt werden könnte, wie in Spanien. Außerdem ist in manchen Jobausschreibungen für Saisonarbeiten der Besitz eines Vans sogar erforderlich oder wird zumindest empfohlen. Mein Eindruck, Neuseeland ist ein sehr van-freundliches Land.

In diesem Artikel berichte ich über meine „Van-Life“ Erfahrung auf der Nordinsel. Unsere Route führte von der Coromandel Halbinsel aus ins stinkende Rotorua. Nach einem obligatorischen Zwischenstopp in Hobbiton ging es über den Lake Taupo und den Tongariro Nationalpark zum Mount Taranaki am südwestlichsten Zipfel der Nordinsel.

Coromandel Coast – Strände ohne Ende

Coromandel ist eine Halbinsel im Norden Neuseelands. Neben Bergbau ist sie heute vor allem für ihre schönen Strände bekannt. Ich bin normalerweise der Typ Mensch, der nach 20 Minuten am Strand schon zweimal zum Erfrischen im Wasser war, und schon wieder getrocknet ist. Wie ein gares Steak, von beiden Seiten gleichmäßig angebrutzelt, bin ich dann fertig mit Strand und Sonne und möchte in den Schatten.

Aber die Strände hier im Coromandel sind anders. Jetzt im November ist Vorsaison. Bald wird der Frühling in den Sommer übergehen, doch noch ist es hier ruhig und still. Es scheint, als würde die Zeit still stehen. Die Strände sind nichts bebaut. Keine Chiringuitos und Strandbars mit lauter Musik, keine Hotels, keine Liegen oder Strandkörbe im Sand, keine Beach-Volleyballnetze und keine gelegentlichen Treffer von verirrten Bällen auf den Hinterkopf. Auch Jetskis oder Motorboote bringen hier nicht die gleichmäßige Bewegung der Wasseroberfläche durcheinander.

Der schönste Strand, den ich an der Coromandelküste entdecke, ist der New Chums Beach in der Wainuiototo Bay. Der Sand ist weiß wie Schnee, der Strand unendlich weit, das Wasser kristallklar. Ein anderer versteckter Strand liegt etwas abgelegen und ist nur zu Fuß zu erreichen. Bei Ebbe kann man dem Weg der felsigen Küste entlang folgen, bei Flut gibt es eine Abkürzung durch den Wald. Wie Piraten der Karibik fühlt es sich an, als würde ich dieses unberührte Land als allererster Mensch betreten. Nur eine baumelnde Schaukel unter einem Baum erinnert daran, dass schon jemand vor mir hier war. Hinter dem Strand leuchtet die Natur in unterschiedlichen Grüntönen. Alles ist noch so wild, ruhig und auf magische Art unberührt. Nur ein paar Vögel brüten im Sand und halten nach Würmern oder Muscheln im Watt Ausschau. Sonst ist hier niemand.  Ich habe das Paradies auf Erden gefunden.

Coromanel Wanderungen

Die Strände der Coromandel Coast reichen von Thames bis nach Wayomu, Matarangi oder Wangapoa. Aber es sind nicht nur die Strände, die die Urlauber hierher locken. Etwas weiter im Landesinneren gibt es viele Wanderrouten und Wasserfälle zu entdecken. Die bekannteste Wanderung ist der Pinnacles Walk (oder auch Kauaeranga Kauri Trail). An dem Tag, an dem ich es wage, die Pinnacles Route anzutreten, regnet es zwar nicht doll, dafür aber ununterbrochen. Das Wasser sammelt sich und fließt mit Wucht durch den Fluss. Manche Übergänge sind unter knöcheltiefem Wasser verschwunden.

Der erste Teil scheint machbar. Doch mehr und mehr Wasser fließt mir auf dem Wanderweg entgegen. Auf klapprigen Hängebrücken führt die Route ab und zu über den Fluss, falls der Regen den Rest der Tracks unbegehbar macht. Da es auf halbem Weg dann doch zu sehr regnet, beschließe ich doch lieber die klügere Entscheidung zu treffen, abzubrechen und umzudrehen.

Hobbiton – Abstecher ins Auenland

In einer Höhle in der Erde, da lebte ein Hobbit. Im echten Leben gibt es zwar keine Hobbits, dafür steht aber noch die Kulisse des Auenlandes, zwischen weidenden Schafen und grünen Hügeln, auf der Alexander Farm in Mata Mata. Jahr für Jahr lockt das Hobbiton Filmset viele Hobbit- und Herr der Ringe Fans hierher, denn in diesem kleinen Stück Mittelerde kann man über vierzig unterschiedliche Hobbithöhlen bewundern. Jede der kreisrunden Türen hat ihre ganz eigene Geschichte. Man kann sofort erkennen, welchen Beruf der Hobbit, der in jener Höhle wohnt, ausübt: Fischer, Schneider, Imker, alles ist bis ins kleinste Detail realistisch nachgebaut. Wäscheleinen mit winzig kleinen Klamotten lassen alles bewohnt und lebendig aussehen.

Was mich am meisten fasziniert, sind die bunten Blumen in den gepflegten Vorgärten und das saisonal angebaute Gemüse und die Obstbäume, die echte Früchte tragen. Neugierig frage ich nach, wer sich darum kümmert. Anscheinend gibt es extra Gärtner, die sich dafür sorgen, dass es im Auenland das ganze Jahr über frisches Gemüse im Garten gibt. Und ich hatte Zweifel, ob es einen Traumberuf gibt!

Interessant fand ich, dass es größere und kleinere Hobbittüren gibt, denn für den optischen Effekt, dass Hobbits viel kleiner als Gandalf seien, wurden die Schauspieler einfach vor unterschiedlich große Türen gestellt. Ganz oben auf dem Hügel, hängt an einer knallgrünen Tür ein Schild mit der schnörkeligen Aufschrift “No admittance, except for party business“ am Zaun des Vorgartens. Es ist Bilbo Beutlins Höhle. Doch hinter der Tür, verrät uns die Tourguide, versteckt sich gar keine gemütliche Einrichtung. Die Szenen der Innenräume der Hobbithöhlen wurden in Filmstudios gedreht. Ab  Dezember 2023 kann man aber Samwise Gamgees Höhle von innen besichtigen. Als ich in Hobbiton war, war sie leider noch nicht eröffnet.

Die nette Tourguide erzählt uns weitere tausende Anekdoten über den Dreh, weist uns darauf hin, wo welche Szene gedreht wurde und natürlich können einige in der Gruppe die Dialoge auswendig und spielen die Szenen eifrig nach. Sogar eine Hochzeit findet hier statt, der Priester als Gandalf verkleidet. Kurz vor Ende ist noch ein Getränk in der Gaststätte The Dragon Inn drinnen.

Die Besichtigung des Hobbiton Filmsets ist nicht billig und kostet ca. 90 NZL$), aber mir hat es super gefallen, mich in Bilbos Welt zu vertiefen. Ich finde, ich wäre ein guter Hobbit.


Rotorua – die dampfende Stinkestadt

Eine riesige, weiße Dampfwolke steigt aus dem Schacht der Kanalisation. Es sieht aus, als würde die Straße brennen. Doch keine Menschenseele regt sich, jeder hier scheint unbeeindruckt, denn es ist Wasserdampf, der aus der Erde aufsteigt. Und es stinkt übel nach Pups.

In der Sprache der Maori heißt ‘Roto’ See und ‘Rua’ zwei. Der Rotorua ist nämlich der zweitgrößte See auf der Nordinsel, noch größer ist nur der Lake Taupo, der von den Maori entdeckt wurde. Bekannt ist diese Stadt, wie auch die Gegend drumherum, für ihre geothermische Aktivität. Überall blubbert es aus dem Boden und stinkt nach Schwefel.

Abgesehen vom Government Garden, den Park, in dem es blubbert und dampft, ist die Stadt nicht so besonders. Die schöneren und sehenswerten Ecken liegen alle außerhalb. Man muss nur dem Thermal Explorer Highway folgen, und schon stößt man alle fünf Minuten links und rechts der Straße auf irgendein thermales Naturwunder. Viele davon kann man kostenlos besuchen.

Der Kerosene Creek ist eines der beliebten warmen Thermalbäder, dessen freier Zugang mitten im Wald liegt. Das Wai-O-Tapu Thermal Wonderland kostet Eintritt – zu sehen gibt es verschiedenfarbige Pfützen und baden kann man dort nicht. Deswegen lasse ich es aus und gehe stattdessen in das Hot ’n Cold Thermalbad, das sich direkt dahinter befindet und kostenlos ist. Im Grunde genommen ist es nicht mehr, als ein Fluss mit Badestellen. Das Besondere daran ist aber, dass hier das Wasser einer kalten und einer warmen Quelle zusammenfließt und man sich gleichzeitig oder abwechselnd in der warmen und kalten Strömung baden kann. Witzig fand ich auch die Wai-O-Tapu-Mudpools, in denen dickflüssiger Schlamm heftig blubbert und dabei aussieht wie riesige Fürze, die aus der Erde kommen.

Auch in der Nähe liegt der Blue Lake, ein entspannter Badesee, der sich prima für ein BBQ oder ein Picknick eignet, oder der Lake Okaro zum Übernachten und Campen.

Weiter geht die Reise zum Lake Taupo und dem Tongariro Nationalpark.

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TIPPS

  • Freedom Camps der Coromandel Coast haben oft nur wenige Parkplätze und werden streng kontrolliert. Vorsichtshalber immer die Regeln des jeweiligen Councils lesen.
  • Hobbiton – Leider kann man kann sich nicht frei durch das Filmset bewegen – Eintritt ist nur mit Tourguide gestattet. Es wird empfohlen, rechtzeitig zu buchen. Seit Dezember 2023 ist eine der Hobbithöhlen auch von Innen zu besichtigen.
  • Rotorua Thermalbäder: Es gibt viele kostenlose Bäder und warme Quellen auf dem „Thermal Highway“.