Genau vier Wochen ist es her, dass ich zum ersten Mal hier war. Im Mai, als ich mit dem Schatz ein paar Tage in den Pyrenäen verbracht habe, wollte ich auch zum Estany Gerber hinauf wandern. Eine angeblich sehr leichte Wanderung, fast ein Spaziergang. Doch bereits nach den ersten paar Hundert Metern stand ich im Schnee. Im Mai! Da ich mich in und mit den Bergen nicht sonderlich gut auskenne und für Schnee nun wirklich nicht passend ausgerüstet war, musste ich also wieder umkehren, ohne den See gesehen zu haben.

wandern in den Pyrenäen
wandern in den Pyrenäen

Heute ist also mein zweiter Versuch, den Estany Gerber zu erreichen. Dieses Mal treffe ich mich am Parkplatz La Peülla mit Blai, meinem Guide, der nicht nur Bergführer ist und sich in den Pyrenäen Lleidas bestens auskennt, sondern als Biologe ständig Vögel, Raupen, Sträucher und Kräuter am Wegesrand entdeckt.

auf dem Weg zum Estany Gerber wandern in den pyrenäen

Auf der hübschen Wiese, die im Mai noch dermaßen voller Wasser war, dass ich aufpassen musste, wo ich hintrat, fließt das Wasser nun ganz brav in dem kleinen Bächlein. Über hölzerne Passerellen kommen wir zum Anfang des Pfades. Ein Schild weist darauf hin, dass wir hier den geschützten Nationalpark betreten und uns entsprechend verhalten sollen. Bis jetzt sieht alles so friedlich und schön aus, wie in einem Bilderbuch. Links und rechts von uns blühen wilde Heidelbeersträucher und Alpenrosen. Blai findet ständig Kräuter, Blüten und Beeren, manche mit lustigen Namen, wie zum Beispiel das grüne Hexenkraut. Der Weg ist angenehm zu laufen, nicht zu steil und auf diesem Abschnitt noch nicht sehr steinig. Die Aussicht auf das Tal und die hohen Gipfel ringsum ist atemberaubend! Verlaufen kann man sich hier kaum, denn erstens teilt der Pfad sich nicht, sondern führt direkt zum See hinauf, und zweitens markieren gelben Pfosten deutlich, wo entlang man gehen soll.

alpenrose rhododendron

Als wir an eine Stelle kommen, an der jede Menge angepickte Eicheln am Boden liegen, blickt Blai suchend nach oben. Denn das hier sind die Überreste, die ein Specht einfach fallen lassen hat, nachdem er die Pinien aus den Eicheln gepickt hat. Offenbar hat er eine günstige Stelle dort oben gefunden, an der er die Eicheln besonders gut bearbeiten konnte. Und so ist er unzählige Male mit einer neuen Eichel zu diese Stelle gekommen, um hier sein Mittagsmahl zu halten.

wege in den Pyrenäen

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Der Weg hinauf ist tatsächlich leichter zu laufen als gedacht. Es geht zwar ständig bergauf, aber der Weg ist nicht steil und es gibt jede Menge zu sehen. Ich bin vor allem froh, dass wir früh um 8 Uhr losmarschiert sind. Die meisten Spanier starten ihre Wochenend- oder Urlaubsaktivitäten nicht vor 10 Uhr morgens. Doch um diese Jahreszeit ist es auch um zehn schon anständig warm. Für mich zu warm, um auf einen Berg zu klettern. Ich genieße die frische Morgenluft und freue mich, dass es zwischendurch immer wieder Schatten gibt. Wir wandern zwar nicht gerade durch einen Wald, aber Bergkiefern und sogar ein paar Laubbäume wachsen zumindest noch auf dem ersten Teil der kleinen Wanderung.

Gerade mal zwei Kilometer vom Ausgangspunkt entfernt, erreichen wir bereits den ersten kleinen See, l’Estanyola de Gerber. Ganz begeistert von diesem malerischen Anblick laufe ich aufgeregt am Ufer hin und her, während Blai am Boden schon wieder eine besondere Pflanze entdeckt hat, eine Orchideenart, die nur in bestimmten Höhen und nur zu einer bestimmten Jahreszeit wächst.

wandern in den spanischen Pyrenäen wanderung-estany-gerber-im Tal-estanyola-de-gerber
gebirgsseen wanderung-estany-gerber-im Tal-estanyola-de-gerber

Vom Seeufer aus geht es weiter durch die Schlucht des Valle de Gerber, den Berg hinauf. Der Weg durch dieses Hochtal ist nun kein Waldpfad mehr, sondern es geht über kleine und große Felsen. Nicht, dass man klettern muss, aber gute Schuhe, die den Knöcheln Halt bieten, sind hier schon wichtig, falls man doch mal umknickt. Die Felsen, über die wir wandern, sind richtig rund geschliffen. Blai erklärt mir, dass diese runde Form in der letzten Eiszeit entstanden sind, denn als die Eismassen der Gletscher sich ihren Weg ins Tal bahnten, schoben sie einfach alles Geröll, Steine und Felsen mit und wälzten alles platt, bzw rund, was in ihrem Weg lag. Mir fällt auf, das viele der Felsen dicke Risse aufweisen, die wie Narben im Stein aussehen, so als hätte man mit einem gigantischen Messer versucht, etwas in die Felsen zu ritzen. Blai meint, das seien vermutlich auch Spuren einstiger Gletscherbewegungen.

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Auch der Estany de Gerber und die vielen kleinen Seen drumherum sind in dieser Zeit entstanden. Denn als sich die Gletscher zurückzogen und das Eis schmolz, blieben in den Senken die Wassermassen zurück und bildeten kleine Seen.

ausblick-estanyol-valle de-gerber

quelle wandern in den pyrenäen

Bald erreichen wir einen Wasserfall und kommen an einer kleinen, schattigen Quelle vorbei. Immer weiter geht es hinauf, über Stock und Stein. Ein Baum hat es geschafft eine seiner Wurzeln quasi durch den Felsen wachsen zu lassen. Bäume sind mega beeindruckend, weil sie so unendlich kraftvoll sind und so viele Jahrhunderte leben. Einige Exemplare wachsen beinah spiralförmig, vermutlich um dem Stamm mehr Halt zu geben. Auch wenn ein Baum von einem Blitz getroffen wird, heißt das nicht unbedingt, dass er tot ist. Manche Bäume wachsen danach noch weiter! Auch ein umgestürzter Baumstumpf am Wegesrand steckt noch voller Leben und dient den Tieren als Nahrung oder Unterschlupf. Löcher im Holz zeigen, dass Spechte nach Würmern und Käfern gesucht haben.

flora udn fauna pyrenäen

Außer wilden Beeren, bunten Orchideen und den für mich auf den ersten Blick ganz unscheinbar wirkenden fleischfressenden Blüten, finden wir auch braune Grasfrösche, Kaulquappen, lustige Raupen und jede Menge schwarze Nacktschnecken. Zwei dieser hermaphroditen Wesen sind gerade dabei sich zu paaren. Dazu verschlingen sich die Tiere ineinander und eine der beiden steckt eine Art hellblau leuchtendes Begattungsorgan in ein Loch am Kopf des anderen Tieres. Völlig fasziniert sehe ich den beiden Schnecken bei ihrem anstrengenden Liebesakt zu, der angeblich stundenlang andauern kann.

Doch dann erzählt Blai von den Bären, die hier oben leben und ich bin wieder ganz Ohr. Denn auf einen Braunbären zu treffen, steht nicht unbedingt auf meiner Wunschliste. Ich bin weder Bergwanderer noch Biologe, sondern habe gehörigen Respekt vor diesen Tieren. Blai jedoch findet sie faszinierend und würde gern mal einen zu Gesicht bekommen. Doch die Tiere gehen den Menschen aus dem Weg und zeigen sich nur extrem selten. Immerhin leben inzwischen wieder rund 70 Bären allein hier in der Gegend. Denn nachdem der Oso brun, der Pyrenäenbraunbär schon fast als ausgestorben galt, erholte sich die Population durch Zuwachs aus Slowenien und wächst seither wieder an. Nicht unbedingt zur Freude der Schaf- und Rinderzüchter.

Ungefähr einen Kilometer weiter erreichen wir den nächsten Bergsee, den Estanyet de Gerber de Baix. In der Ferne ragen die Gipfel des Nationalparks Aigüestortes auf. In einer Senke, die sich vor den Bergen erahnen lässt, liegt unser Ziel, der Estany Gerber. Bald sind auch die letzten Kilometer geschafft und ich stehe vor dem wunderschönen Bergsee. Auf stolze 14 Hektar soll sich der Estany Gerber erstrecken und das in einer Höhe von 2165 Metern.

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wanderung-panorama-valle-gerber wandern in den Pyrenäen

bergsee wandern in den pyrenäen

Der Estany Gerber ist einer der wenigen großen Seen in der Pyrenäen, die nicht in den 60er und 70er Jahren von den Wasserkraftwerken zur Stromerzeugung angezapft wurden. Bis heute ist dieser Estany  fast komplett naturbelassen. Ich sage „fast“, denn natürlich können wir Menschen auch hier wieder unsere Finger nicht von der Natur lassen. Irgendjemand hat irgendwann Fische in den Bergseen ausgesetzt, die hier normalerweise gar nicht vorkommen. Fische sind im Allgemeinen keine Lebewesen des Hochgebirges. Egal ob die Forellen zum Überleben oder zum Angeln ausgesetzt wurden, sie verändern das Leben in diesem Gewässer. Bergseen, in denen Fische vorkommen, sind nicht mehr kristallklar, sondern färben sich grünlich. Deswegen gibt es hier auch ein Naturschutzprojekt, das sich darum bemüht, die Fische wieder aus den Seen zu entfernen. Eine Mammutaufgabe.

estany gerber

wandern estany gerber

Auf einem großen Felsbrocken am Seeufer packen wir unsere Brote aus und genießen den Anblick dieses Bergpanoramas. Ich bin richtig stolz auf mich, dass ich es bis zu einem echten Bergsee geschafft habe, auch wenn das hier einer der einfachsten Wege ist und als „Spaziergang“ gilt. Immerhin war ich mit vielen kleinen Foto- , Trink- und Pflanzenerklärpausen rund vier Stunden am Wandern. Gestern Abend hatte ich nämlich noch so meine Zweifel, ob meine Kondition denn für das „Hochgebirge“ reicht. Aber zum Glück war es halb so schlimm und habe sogar richtig Spaß an dem Aufstieg. Erst auf dem Rückweg, als die Mittagssonne uns weite Teile der Strecke begleitet, komme ich dann doch ins Schwitzen und bin heilfroh, dass wir schon früh losgegangen sind. Mit den Wanderern, die uns entgegenkommen und den Aufstieg in der Hitze noch vor sich haben, möchte ich nicht tauschen.

Noch allerlei Nützliches rund um den Estany Gerber:

Wanderwege:

Neben den spät aufgestandenen Wochenendausflüglern haben wir (in den frühen Morgenstunden) auch einige erfahrene Bergwanderer getroffen, die erkennbar längere Strecken zurücklegten. Mit Rucksack und Karten ausgestattet, waren sie entweder auf einer Tour quer durch den Nationalpark oder gar auf der Transpirinenca (GR 11) unterwegs, einem Fernwanderweg, der vom Mittelmeer bis zum Atlantik durch die Pyrenäen geht.

Wanderwege in den Pyrenäen – bei Outdooractive

Nationalpark Aigüestortes –  bei Katalonientourismus

wandern estany gerber in den Pyrenäen

Unterkunft: 

Nach der Wanderung war ich froh, dass mein Hotel ganz in der Nähe lag. In dem Dörfchen Valencia d’Àneu habe ich im Hotel La Morera gleich geduscht und einen verdienten Mittagsschlaf gemacht. Ich war so platt, dass ich noch vor dem Essen eingeschlafen bin 🙂 Erst danach bin ich in das nette kleine Restaurant gegangen, um dann doch noch richtig Mittag zu essen. Ein wirklich netter, kleiner Familienbetrieb mit traditioneller Küche aus regionalen Produkten. Kann ich nur weiterempfehlen. Sogar ein Schwimmbad gibt es!

nettes kleines hotel in den pyrenäen

Ein ganz ähnliches kleines Hotel, auch ein Familienbetrieb, habe ich auf einer anderen Wanderung kennengelernt, von der ich hier noch gar nicht berichtet habe. Da es aber auch  im Vall d’Àneu liegt, will ich es hier kurz mit erwähnen: Das Hotel Castellarnau in Escaló, knappe 20- 30 Minuten mit dem Auto von La Peülla entfernt. Auch ein sehr netter kleiner Familienbetrieb mit Restaurant und Pool, ganz hübsch am Noguera Pallaresa Fluss gelegen, auf dem weiter unten in Llavorsí die Wildwasserfahrten stattfinden.

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Ich finde, zum Nachhaltigen Reisen gehört es auch, dass man sich unterwegs für die Übernachtung eher kleine Familienbetriebe sucht, als große internationale Hotelketten. Nicht nur, weil dadurch, die Menschen in der Region einen Verdienst haben, statt dass das Geld, das ich zahle in Konzernkassen wandert, sondern oft kommt man mit den Inhabern selbst ins Gespräch, die einem wirklich echte, tolle Tipps geben. Im Hotel Castellarnau habe ich zum Beispiel von einem Spazierweg zu einer Klosterruine in der Nähe erfahren, die ich bei meinem nächsten Besuch unbedingt erkunden will: dem Monestir de Sant Pere de Burgal.

Andere Geschichten hier im Blog, die ganz in der Nähe liegen:

Aigüestortes 
Falles d’Isil 

estany sant maurici parc natural aigüestortes

 

Hinweis: Die Übernachtung erfolgte auf Einladung der Agencia Catalana de Turisme. Danke für diese Unterstüzung!